„Schon in drei Jahren schuldenfrei.“
So und ähnlich titelten die Journalisten nach Bekanntwerden der neuen Gesetzesvorlage des Bundestags, die im Mai dieses Jahres beschlossen wurde. Das Gesetz wird, sofern sich der Bundesrat nicht dagegen stellt, im Juni 2014 in Kraft treten. Verbraucherschützern geht die Verkürzung des Insolvenzzeitraums von sechs auf drei Jahren nicht weit genug. In drei Jahren muss der Schuldner 35 Prozent der offenen Forderungen beglichen haben. In der Realität, argumentieren die Verbraucherschützer, schaffen die Mehrzahl der Schuldner innerhalb der gegenwärtigen sechs Jahre gerade einmal eine Schuldenbereinigung von 10 Prozent. Demnach bringt die neue Regelung keine Verbesserung. Denn wer die 35 Prozent nicht vorweisen kann, bleibt die folgenden drei Jahre wie gehabt in der Insolvenz hängen. Bankennahe Verbände prognostizieren beim Zustandekommen der neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen ein sprunghaftes Ansteigen der Privatinsolvenzen. Die Schuldner könnten sich ihrer offenen Posten viel zu schnell entledigen. Das schaffe falsche Anreize. Wenn durch diese Entwicklung das Kreditausfallrisiko steigt, müssten die Banken reagieren. Möglicherweise führt das zu einer merklichen Erhöhung der Zinsen von Privatkrediten. Vonseiten der geldgebenden Institute gibt es deswegen ein klares Nein zur geplanten Änderung des Insolvenzrechts.
Der ein oder andere setzt eine Privatinsolvenz mit einem Schuldenerlass gleich und missversteht sie als eine Art Befreiungsschlag. Aber die Konsequenzen beeinflussen den privaten Alltag enorm und schränken die Rechte des Schuldners spürbar ein. Nahtlos mit der Eröffnung des Verfahrens setzt die Schufa ihren Eintrag. Wenn die Insolvenz als beendet gilt, wird die Restschuldbefreiung erteilt. Der Eintrag „Restschuldbefreiung erteilt“ führt die Schufa drei weitere Jahre im Register des Betroffenen. Die Löschung des Eintrags erledigt die Schufa automatisch, aber in der Zählweise von Kalenderjahren. Das bedeutet, wenn die Restschuldbefreiung im Januar eingeht, muss der Schuldner noch bis zum Ende des Jahres warten, bis der Eintrag aus seinem Register verschwunden ist. In der Summe ist der von der Insolvenz Betroffene nach derzeit noch gültiger Rechtslage mindestens 10 Jahre mit dem Makel des Schufa-Eintrags gestraft. Selbst wenn die aktuelle Gesetzesvorlage greift und der Schuldner seine Verbindlichkeiten zu 35 Prozent abgegolten hat, muss er wenigstens sieben Jahre mit einer negativen Schufa umgehen. Der Insolvenz-Vermerk drückt dem Betroffenen gewissermaßen das Siegel der Geschäftsunfähigkeit auf. Handyverträge können nicht mehr abgeschlossen oder Waren auf Rechnung beglichen werden. Jede Kaufentscheidung muss bar oder in Vorkasse getätigt werden. Dass eine Bank einen Kredit bewilligt, ist ausgeschlossen. Größere Anschaffungen wie z.B. der Kauf eines Autos müssen auf Jahre verschoben werden. Wenn ein Wohnortswechsel ansteht, bekommt die sich in der Privatinsolvenz befindende Person die ganze Machte der Schufa zu spüren. Kein Immobilienbesitzer vermietet heutzutage ohne eine Schufafrei-Bestätigung. Ein Umzug ist für die Dauer des Schufa-Eintrags quasi ausgeschlossen.
Welche Vorteile neben dem Erlass der Restschulden bringt eine Privatinsolvenz?
In erster Linie kommt etwas Ordnung und Sicherheit in die finanziell angespannte Situation. Sobald die Privatinsolvenz rechtlich wirksam wird, sind eine Konto- und Lohnpfändung sowie der Besuch des Gerichtsvollziehers unzulässig. Das Einkommen des Schuldners unterliegt dann den Pfändungsfreigrenzen. Über monatliche Einnahmen unterhalb von 1.000EUR kann der Schuldner verfügen. Jeder Cent, der über diesen Betrag liegt, fließt direkt an den oder die Gläubiger.
Nach derzeitigem Recht kann die Privatinsolvenz nur einmal im Laufe des Lebens durch eine Person beantragt werden. Wenn sich weitere Schulden, also nicht die über die Privatinsolvenz abgegoltenen, ansammeln, werden diese 30 Jahre lang – den Pfändungsfreigrenzen unterliegend – eingezogen.
Der Entschluss zur Privatinsolvenz sollte nicht leichtfertig getroffen werden. Die Schattenseite des Verfahrens ist ein tiefgreifender Einschnitt in die Privatsphäre des Schuldners, der über Jahre am Rand des gesellschaftlichen Lebens steht. Auf jeden Fall kann die Entscheidung nicht vom Schuldner selbst getroffen werden. Nur fachkundige Anwälte und Schuldnerberater können fundiert beurteilen, ob der Gang in die Insolvenz überhaupt notwendig oder ob die bestehende Schuld mit Hilfe eines gut ausgearbeiteten Schuldenplans in Absprache mit den Gläubigern abzutragen möglich ist.